Umstrittenes Extremismusgesetz tritt in Russland in Kraft

Von | 1. September 2025

Maksut Schadajew ist Russlands Digitalminister. Er war unlängst bei einer Videoschalte der Regierung dabei und musste Präsident Wladimir Putin Rapport über das Gesetz Nr. 281-F3 erstatten „Es sieht Geldstrafen von bis zu 5.000 Rubel für den vorsätzlichen Zugriff auf extremistisches Material aus dem Register des Justizministeriums vor. Derzeit sind dort 5.500 Materialien aufgrund von Gerichtsentscheidungen registriert. Ausländische Plattformen weigern sich, solche Materialien auf Ersuchen unserer Aufsichtsbehörde Roskomnadzor zu entfernen. Derzeit hängen mehr als 20.000 unserer Anfragen in der Warteschleife.“

Die Aussage fand wenige Tage vor seiner Unterschrift Ende Juli selbst Kremlchef Putin nicht ganz koscher. Er fragt: „Wie sollte das von der Staatsduma verabschiedete Gesetz zur Suche nach extremistischen Informationen – nach allem, was Sie gerade erwähnt haben – Ihrer Meinung nach in der Praxis funktionieren?“

Minister Schadajew zeigt sich unbeirrt: „In der Praxis müssen die Behörden nachweisen, dass Vorsatz vorlag und der Nutzer im Voraus wusste, dass es sich um extremistisches Material handelte und es registriert war. In diesem Sinne können normale Nutzer beruhigt sein.“

Alles Mögliche könnte „extremistisch“ sein

Erscheint so ein Inhalt in der Suchleiste, wird aber nicht angeklickt, soll es keine Strafe geben. Doch verbotene Früchte sind besonders süß. Die kommunistische Opposition im Parlament hat moniert, man stoße die Leute ja erst auf das unerwünschte Material. Im heutigen Russland kann alles Mögliche als „extremistisch“ eingestuft werden: etwa Bücher, die „gleichgeschlechtliche Beziehungen fördern“ oder auch schlicht Social-Media-Beiträge von Oppositionsgruppen. Einfach alles, was die Behörden als „gefährlich“ erachten – auch Filme und Musik.

Die Listen werden zudem ständig aktualisiert. Wer soll den Überblick behalten? Offiziell nutzen rund 40 Prozent der Bevölkerung VPN-Verbindungen, um Internetsperren zu umgehen. Das hieße, etwa 40 Prozent der Bürgerinnen und Bürger wären potenziell Gesetzesbrecher.

Streitpunkt VPN-Verbindungen

Der Vorsitzender des Duma-Ausschusses für Informationspolitik, Bojarskij, sagte im Parlamentsfernsehen dazu: „Wir verbieten VPN-Verbindungen weiterhin nicht. Sie können ja auch schädliche Blockierungen wegen der Sanktionspolitik gegen uns umgehen helfen. Viele Bürger, Betriebe und  Organisationen nutzen VPN also für gute Zwecke. Wenn Sie jedoch VPN verwenden, um extremistische Infos abzurufen, ist dies ein Argument dafür, dass Sie es absichtlich getan haben.“

Die Werbung für VPN wurde inzwischen unter Strafe gestellt. Und das kostet Einzelpersonen zehnmal mehr und juristische Personen sogar 100-mal mehr mehr als die 50 Euro für die „Extremismussuche“.

Umsetzung in die Praxis unklar

Der Rechtsanwalt Kaloj Achilgow kommentiert das neue Gesetz auf dem unabhängigen YouTube-Kanal Zhivoy Gvozd so: „Tatsächlich ist noch nicht klar, wie all das in der Praxis umgesetzt wird. Das bedeutet technische Überwachung durch die Provider. Ich habe zum Beispiel ein VPN auf meinem Telefon. Das heißt aber nicht, dass ich es auch immer nutze und extremistische Materialien suche. Wie wollen sie das im Blick haben? Und wenn ein Polizist Ihr Telefon fordert, ist es Ihr Recht, es zu verweigern. Denn der Zugriff auf das Gerät kommt einer Zeugenaussage gleich und man hat das Recht, die Aussage zu verweigern.“

Fakt bleibt: Russlands Bevölkerung sieht sich einem neuen Gesetz gegenüber, das Willkür Tür und Tor öffnet und von anderen Inhalten und Meinungen abkapselt. Ein praktischer Hebel mehr für Putins Regime.

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