Kehrtwende im Weißen Haus: US-Präsident Trump hat zwar ein Dekret mit zum Teil massiven Zollsätzen für Dutzende Staaten unterzeichnet. Anders als bisher verkündet, sollen diese aber nicht schon heute in Kraft treten.
US-Präsident Donald Trump hat ein Dekret zu den neuen Zollbestimmungen unterzeichnet. Die neuen US-Zölle für Importe aus dem Ausland treten demnach erst am 7. August in Kraft, nicht schon heute. Ein Regierungsbeamter bestätigte Nachrichtenagenturen, dass dies auch für den Zollsatz von 15 Prozent auf Einfuhren aus der EU gelte.
Bislang hatte der Republikaner den 1. August genannt. Auch in einer EU-Übersicht zur kürzlich in Schottland geschlossenen Vereinbarung mit der EU wurde dieses Datum genannt – dort hieß es: „Ab dem 1. August werden die USA diesen Höchstzollsatz auf den Großteil der EU-Exporte anwenden.“
Aus dem Weißen Haus wurde die Verschiebung der Zölle damit begründet, dass den Grenz- und Zollbehörden mehr Zeit für die Umsetzung des neuen Systems gegeben werden solle.
Zölle für fast 70 Länder
Gleichzeitig verhängte Trump per Dekret neue Zölle gegen Länder, für die es noch kein Handelsabkommen gibt. Das Weiße Haus veröffentlichte eine Liste mit fast 70 Ländern und der EU, für die jeweils eigene Zollsätze gelten. Diese liegen zwischen zehn und 50 Prozent.
Zu den Ländern, die es am härtesten trifft, gehört die Schweiz mit jetzt 39 Prozent. Ursprünglich waren 31 Prozent vorgesehen. Die Schweiz hofft weiter auf eine Verhandlungslösung. Die Regierung habe Trumps Ankündigung „mit großem Bedauern“ aufgenommen, sagte ein Sprecher des Finanzministeriums. Die 39 Prozent wichen „deutlich“ vom Entwurf einer gemeinsamen Absichtserklärung ab.
Kanada werden 35 Prozent Zoll auferlegt
Kanadische Produkte sollen statt wie bisher mit 25 Prozent Aufschlag ab heute mit 35 Prozent Zoll versehen werden. Trump begründete das mit einem angeblichen Mangel an Kooperation beim Kampf gegen illegalen Drogenschmuggel. Auch die Ankündigung Kanadas, einen palästinensischen Staat anzuerkennen, erschwerte laut Trump den Abschluss eines Handelsabkommens mit dem nördlichen Nachbarn. Der kanadische Premierminister Mark Carney zeigte sich in einer Erklärung sichtlich enttäuscht von den Maßnahmen.
Am härtesten trifft es aber Brasilien mit einem Zollsatz von 50 Prozent. In der aktuellen Zollliste sind zwar zehn Prozent festgehalten. Dazu sollen aber schon ab kommendem Mittwoch 40 Prozent auf brasilianische Produkte hinzukommen, wie Trump mitteilte.
Für Indien kündigte Trump vor kurzem an, dass ein Zollsatz von 25 Prozent gelte und eine „Strafe“ folgen solle, um das Land für den Kauf von Energie und Militärausrüstung aus Russland zu sanktionieren.
Mexiko bekommt dagegen eine Fristverlängerung von 90 Tagen. Für andere Länder gab es keine Überraschungen. Für Japan und Südkorea ist – wie in zuvor erfolgten Handelsabkommen vereinbart – entsprechend zur EU ein Aufschlag von 15 Prozent vorgesehen.
Wenn Länder nicht in der Liste aufgeführt sind, wird in ihrem Fall pauschal ein Zollsatz von zehn Prozent erhoben, wie das Weiße Haus weiter mitteilte.
Land/ Staatengemeinschaft | Zollsatz | |
---|---|---|
Europäische Union | 15 Prozent | |
Großbritannien | 10 Prozent | |
Schweiz | 39 Prozent | |
Norwegen | 15 Prozent | |
Israel | 15 Prozent | |
Südafrika | 30 Prozent | |
Südkorea | 15 Prozent | |
Taiwan | 20 Prozent | |
Japan | 15 Prozent | |
Malaysia | 19 Prozent | |
Indien | 25 Prozent | |
Brasilien | 10 Prozent (plus 40 Prozent) |
Trump sieht Ungleichgewicht im Handel
Trump begründet die Zollerhebungen damit, dass ein Ungleichgewicht im Handel mit anderen Ländern bestehe und ausgeglichen werden müsse. Er wirft den betroffenen Handelspartnern vor, zu hohe Zölle zu erheben oder ihre Märkte nicht weit genug für US-Einfuhren zu öffnen.
„Zölle machen Amerika wieder GROß und REICH“, schrieb Trump auf seiner Plattform Truth Social. Viele Ökonomen befürchten jedoch, dass US-Verbraucher und Unternehmen einen Teil der Kosten tragen werden.
„Am Ende bezahlen die amerikanischen Verbraucher“
Heftige Kritik kam vom demokratischen Senator Chris Coons: „All diese Zölle sind wie eine Steuer, die die amerikanischen Verbraucher zahlen“, sagte er im Sender CNN: „Sie bringen dem Fiskus vielleicht eine riesige Menge Geld. Das aber bezahlen am Ende die amerikanischen Verbraucher.“
Dem widersprach US-Handelsminister Howard Lutnick. Von seinen früheren Wall-Street-Freunden habe er viele aufgeregte Anrufe bekommen: „Sie meinten, wir wüssten wohl nicht, was wir tun: ‚Ihr zerstört die Märkte.‘ Donald Trump und sein Team haben bewiesen: Die EU zahlt, Japan zahlt, Korea zahlt, Vietnam zahlt, die Philippinen zahlen.“
Trump verweist auf nationalen Notstand
Am Donnerstag hatten sich Berufungsrichter in einer Anhörung noch mit der Rechtmäßigkeit vieler dieser Zölle beschäftigt. Ende Mai hatte ein Berufungsgericht die juristisch verfügte Blockade fast aller Zölle des US-Präsidenten vorerst aufgehoben, die eine niedrigere Instanz – das Gericht für internationalen Handel in New York – kurz zuvor angeordnet hatte.
Das New Yorker Gericht sprach Trumps Regierung die Befugnis ab, weitreichende Zölle unter Berufung auf ein Notstandsgesetz zu verhängen. Die Entscheidung bezog sich auf fast alle Zölle, die von Trumps Regierung erlassen wurden. Sie umfasste auch länderspezifische Handelserschwernisse, die der Präsident Anfang April verhängt und danach mehrmals aufgeschoben hat.
Die Argumentation Trumps lautet: Handelsdefizite mit anderen Ländern seien ein nationales Sicherheitsrisiko, damit bestehe ein nationaler Notstand. Mit dieser Begründung verhängte er die weitreichenden Zölle per Dekret – und umging damit das Parlament. Er nutzte dafür ein Gesetz aus dem Jahr 1977, das noch nie zuvor für Zölle angewandt worden war.
Die Berufungsrichter äußerten sich US-Medien zufolge nun skeptisch über dieses Vorgehen der Regierung. Eines seiner größten Bedenken sei, dass das herangezogene Notstandsgesetz das Wort „Zölle“ nirgendwo erwähne, zitierten etwa der Sender ABC News und das Nachrichtenportal Politico einen der Richter.
Bis zu einer Entscheidung in dem Fall könnten nach Einschätzung der Washington Post noch Wochen vergehen. Und selbst dann könnte der Rechtsstreit noch weitergehen – und letztlich vor dem Obersten US-Gericht landen.