Pistorius kündigt Kooperation mit Ukraine bei Rüstungsproduktion an

Von | 13. Juni 2025

Deutschland und die Ukraine wollen gemeinsam von einer neuen Rüstungskooperation profitieren. Verteidigungsminister Pistorius kündigte in Kiew zusätzliche Milliardenhilfen an. Er verspricht sich davon auch neue Technologie für die Bundeswehr.

Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius hat der Ukraine weitere Milliardenhilfen für weitreichende Waffen in Aussicht gestellt. Mit Präsident Wolodymyr Selenskyj vereinbarte er auch eine gemeinsame Rüstungsproduktion. Man wolle das Land schnell mit den Systemen unterstützen, die es brauche, sagte der SPD-Politiker nach Gesprächen mit Selenskyj in Kiew.

Neben den bereits in den letzten Monaten beschlossenen sieben Milliarden Euro sollten weitere 1,9 Milliarden Euro fließen. Damit könnten teilweise Waffensysteme mit großer Reichweite bezahlt werden, die in der Ukraine produziert würden.

„Bild des Krieges hat sich verändert“

Für die Kooperation wird Deutschland demnach das Geld, die Ukraine ihre mit der Kriegserfahrung entwickelten Technologien beitragen. „Die ersten Systeme dürften noch in den nächsten Monaten zur Verfügung stehen“, sagte Pistorius bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Selenskyj. Dieser sagte, Voraussetzung für das gemeinsame Projekt sei ein besonders großes Vertrauen gegenüber Deutschland. Die Bundesregierung verspricht sich davon auch Technologie für die Bundeswehr. 

„Das Bild des Krieges hat sich verändert. Angefangen von Jets und Panzern, die im Mittelpunkt standen, war es dann über viele Jahre die Artillerie und ist es immer noch“, sagte Pistorius. Nun gehe es aber verstärkt um die elektromagnetische Kriegsführung und den Kampf mit Drohnen. „Alleine daraus wird schon deutlich, was wir lernen können voneinander. Und deswegen ist es gut, wenn wir auch gemeinsam in die Produktion einsteigen“, sagte er.

Deutschland und die Ukraine profitierten voneinander auch hinsichtlich der Frage, wie sich Material im Einsatz bewährt oder nicht bewährt, ergänzte der Verteidigungsminister später im Interview mit den tagesthemen – „und auch daraus kann man Schlüsse ziehen“.

Die ukrainische Regierung sieht in der eigenen Rüstungsbranche ungenutzte Kapazitäten im Umfang von jährlich insgesamt 30 Milliarden Euro. „Was die Produktion angeht, dann sprechen wir über die Produktion in der Ukraine, aber auch in Deutschland“, sagte Selenskyj während der Pressekonferenz. Gesprochen werde „über unsere weitreichenden Waffen, unsere Drohnen, ukrainische Raketentechnologien, Marschflugkörper und andere weitreichende Möglichkeiten“.

Selenskyj rechnet mit weiteren Systemen zur Luftverteidigung

Selenskyj sagte zudem, er rechne auch mit weiteren IRIS-T-Flugabwehrsystemen aus Deutschland. Dazu kämen Ersatzteile. „Wir haben einen Lieferplan für die nächsten drei Jahre.“ Darüber hinaus werde auch die Zusammenarbeit bei der Rüstung vertieft. „Wir wollen mehr Joint-Ventures in Deutschland und in der Ukraine.“ Ukrainische Firmen seien Partner in Deutschland.

Trotz der Kooperation sei es unmöglich, die US-Unterstützung zu ersetzen, sagte Selenskyj. Beispielsweise werde das „Patriot“-Flugabwehrsystem nur von den USA produziert – auch wenn Deutschland mehr als andere von diesen geliefert habe. Pistorius sagte, Deutschland versuche mit den europäischen Partnern möglichst viel zu kompensieren.

Bundesregierung plant keine „Taurus“-Lieferung

Pistorius machte während der Pressekonferenz auch deutlich, dass Deutschland keine „Taurus“-Marschflugkörper an die Ukraine liefern werde. „Da Sie mir eine Frage gestellt haben, ob wir das in Erwägung ziehen, lautet meine Antwort: Nein“, antwortete der Minister einem Journalisten.

Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) hatte Ende Mai gesagt, es gebe „keinerlei Reichweitenbeschränkungen mehr“ für an die Ukraine gelieferte Waffen, was unter anderem die Debatte um eine „Taurus“-Lieferung neu entfachte. Allerdings wird von der neuen Bundesregierung offiziell die Linie verfolgt, künftig keine öffentlichen Debatten mehr über an die Ukraine zu liefernde Waffen zu führen, um Russland im Unklaren zu lassen.

Was für ein Waffensystem ist der Marschflugkörper „Taurus“?

Der Marschflugkörper vom Typ „Taurus“ ist rund fünf Meter lang und wiegt fast 1.400 Kilogramm. Er ist mit einem eigenen Triebwerk und mehreren Navigationssystemen ausgestattet, die einen autonomen Tiefflug durch gegnerisches Gebiet ermöglichen. Das bedeutet, die Marschflugkörper können im Krieg aus sicherer Entfernung von Kampfflugzeugen abgefeuert werden und Ziele in bis zu 500 Kilometern Entfernung treffen und zerstören.

Da die Marschflugkörper besonders tief fliegen und relativ klein sind, können sie von der gegnerischen Flugabwehr nur schwer getroffen werden. Die Bundeswehr hat das Waffensystem „Taurus“ seit 2005. Es kann mit Kampfflugzeugen des Typs „Tornado“ zum Einsatz gebracht werden. Der Einsatz am „Eurofighter“ wird derzeit vorbereitet. Hersteller ist eine Tochterfirma des Rüstungskonzerns MBDA.

Der Marschflugkörper „Taurus“ ist das deutsch-schwedische Gegenstück zu den parallel entwickelten britisch-französischen Marschflugkörpern „Storm Shadow“ und „Scalp“.

Pistorius: Russland hat kein Interesse an friedlicher Lösung

Pistorius war am Morgen in der ukrainischen Hauptstadt eingetroffen. Bei seiner Ankunft auf dem Bahnhof in Kiew verurteilte der deutsche Verteidigungsminister die verstärkten russischen Luftangriffe auf die Ukraine, die „außerordentlich heftig und bedrohlich mit der großen Zahl von Marschflugkörpern und Drohnenangriffen“ seien. 

„Das setzt ein klares Zeichen aus Moskau: Es gibt kein Interesse an einer friedlichen Lösung derzeit, sondern es werden mit unverminderter Härte und vor allen Dingen auch wieder zunehmend zivile Bereiche in der Ukraine angegriffen“, so Pistorius.

Seine Reise zeige, dass auch die neue Bundesregierung weiter an der Seite der Ukraine stehe. „Natürlich wird es darum gehen, wie die Unterstützung Deutschlands und auch der anderen Europäer in Zukunft aussehen wird. Was wir tun können, beispielsweise im Bereich der Industriekooperation, aber auch der sonstigen Unterstützung.“

Größte Drohnenangriffe seit Kriegsbeginn

Ungeachtet internationaler Friedensbemühungen überzieht Russland die Ukraine seit einiger Zeit mit verstärkten Angriffen mit Drohnen, Raketen und Marschflugkörpern. Zu Wochenbeginn wurde der seit Beginn der russischen Invasion umfangreichste russische Drohnenangriff gemeldet: Laut ukrainischen Angaben wurden 479 Kampfdrohnen des Typs Shahed und Attrappen davon eingesetzt sowie vier Hyperschallraketen des Typs „Kinschal“, 14 verschiedene Marschflugkörper und zwei Luft-Boden-Raketen des Typs Ch-31.

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