Der Bundestag hat der Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft am Volkstrauertag gedacht. Italiens Präsident Mattarella erinnerte im Parlament an die Bedeutung der Europäischen Union und warnte vor „Nachahmern dunkler Zeiten“.
Zum Volkstrauertag hat Italiens Staatspräsident Sergio Mattarella im Bundestag zur Einigkeit in der Europäischen Union aufgerufen. „Lassen wir es nicht zu, dass heute der europäische Traum, unsere Union, von Nachahmern dunkler Zeiten zerrissen wird. Von Zeiten, die Leid, Elend und Trostlosigkeit hinterlassen haben.“
Mattarella wies auf das große Werk der europäischen Einigung hin: „Wir haben es geschafft, eine Region des Friedens, der Freiheit, des Wohlstands, der Achtung der Menschenrechte zu schaffen, die ihresgleichen in der Geschichte sucht.“
Die EU, die aus den Ruinen des Krieges entstanden sei, habe es vermocht, den Multilateralismus in den Dienst des Friedens zu stellen, sagte der italienische Präsident. „Multilateralismus ist keine Bürokratie, wie selbstherrliche Herrscher behaupten“, sagte er. „Er ist das Werkzeug, das Auseinandersetzungen abkühlt und friedliche Lösungen möglich macht. Er ist die Sprache der gemeinsamen Verantwortung.“
„Der Friede ist kein endgültiges Ziel“
Der italienische Präsident erinnerte an die 70 bis 80 Millionen Toten der beiden Weltkriege, verwies aber auch auf die Kriege etwa in der Ukraine, in Gaza und dem Sudan. „Der Friede ist kein endgültiges Ziel, sondern ein Ergebnis des unablässigen Bemühens.“
Mattarella sagte, dem „Nie wieder“ als Reaktion auf den Holocaust stehe heute ein „Wieder“ gegenüber. „Dies erleben wir gerade: wieder Krieg, wieder Rassismus, wieder große Ungleichheit, wieder Gewalt, wieder Aggression.“
„Lasst euch nicht verhetzen“
Der Präsident des Volksbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge, Wolfgang Schneiderhan, erinnerte bei seiner Rede daran, dass auf einer Konferenz in Italien 1955 der Weg zu einer europäischen Gemeinschaft geebnet worden sei.
Und er warnte: „Ein Krieg entsteht nicht über Nacht. Er wird vorbereitet, durch die Verbreitung von Hass und Hetze.“ Schneiderhan appellierte: „Lasst euch nicht verhetzen. Seid solidarisch mit denen, die angegriffen und bedrängt werden, international und im eigenen Land.“
Wolfgang Schneiderhan warnte am Volkstrauertag, ein Krieg werde durch Hass und Hetze vorbereitet.
Steinmeier spricht Totengedenken im Bundestag
An der Gedenkstunde im Bundestag nahmen auch Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, Bundestagspräsidentin Julia Klöckner, Bundeskanzler Friedrich Merz und der Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Stephan Harbarth, teil.
Steinmeier sprach dabei das Totengedenken im Bundestag, die Tradition gibt es seit 1952. Der dazugehörige Text wurde in diesem Jahr erstmals um Menschen erweitert, die wegen ihrer geschlechtlichen oder sexuellen Identität Opfer der Nazis wurden, sowie um im Einsatz getötete Polizistinnen und Polizisten.
Klöckner rief dazu auf, Frieden und Demokratie konsequent zu verteidigen. „Wer weiß, wohin Hass und Verblendung führen, der darf nicht schweigen, wenn Frieden und Demokratie bedroht werden“, sagte sie. Es seien keine Zustände, die sich von selbst erhielten und die man verwalten könne. „Sie sind Aufgaben, die jeden Tag neu beginnen und die kein anderer für uns erledigt.“
Die Neue Wache in Berlin ist die zentralen deutsche Gedenkstätte für die Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft.
Gedenken am Ehrenmal der Bundeswehr
Bundesweit hat Deutschland heute der Millionen Toten beider Weltkriege sowie aller Opfer von Krieg und Gewalt gedacht. An öffentlichen Gebäuden wurden Flaggen auf halbmast gesetzt. Zudem gab es Gottesdienste sowie Kranzniederlegungen auf Friedhöfen und an Gedenkstätten. Vor der Veranstaltung im Bundestag hatten Mattarella, Merz, Klöckner, Steinmeier und Harbarth in der zentralen deutschen Gedenkstätte für die Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft Kränze niedergelegt.
Bei einer Kranzniederlegung am Ehrenmal der Bundeswehr im Berliner Bendlerblock rief der Generalinspekteur der Bundeswehr, Carsten Breuer, dazu auf, die richtigen Lehren aus den beiden Weltkriegen zu ziehen. „Dieser Tag erinnert uns und er verpflichtet uns: Krieg und Gewalt muss mit allen Mitteln verhindert werden“, sagte Breuer. Er gedachte zudem den Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr, die im Dienst ihr Leben verloren haben.
Der Volkstrauertag wurde 1919 als Gedenktag für die Kriegstoten des Ersten Weltkriegs eingeführt. Die erste offizielle Feierstunde fand 1922 im Reichstag in Berlin statt. In der Bundesrepublik wurde er 1952 als Tag der „nationalen Trauer“ wieder eingeführt, wobei auch der zivilen Opfer des Krieges gedacht wird.