Geplantes Treffen mit Putin: „Für Trump ein willkommener Ausweg“

Von | 8. August 2025

Die Ankündigung eines Treffens von Trump und Putin steht nach Ansicht des Russland-Experten Janis Kluge nicht für eine Kompromissbereitschaft Russlands. Trump aber biete es eine Chance, einem selbstverschuldeten Dilemma zu entkommen.

tagesschau.de: Was lesen Sie aus der Ankündigung, dass es bald zu einem Treffen zwischen Trump und Putin kommen soll, anschließend möglicherweise auch zu einer Dreierbegegnung mit Selenskyj? Steht diese Ankündigung dafür, dass Russland sich in Richtung Waffenruhe bewegen könnte?

Janis Kluge: Aus meiner Sicht nicht. Ich glaube, dass sich aus russischer Perspektive grundsätzlich wenig verändert hat. Russland ist in der Ukraine aktuell militärisch im Vorteil, und es ist weit davon entfernt, seine selbst erklärten Minimalziele zu erreichen.

Ganz zu schweigen davon, dass das eigentliche Ziel weiterhin bleibt, die Ukraine komplett unter russische Kontrolle zu bringen – vielleicht nicht territorial, aber gewiss politisch. Die Diplomatie ist für Putin ein alternativer Weg, um dieses Ziel, also die Kapitulation der Ukraine, zu erreichen. Es gibt verschiedene Möglichkeiten, wie er das versuchen wird – auch in einem Gespräch mit Trump.

Mit der Verständigung auf dieses Gespräch hat er jetzt wieder die Initiative übernommen, nachdem der Druck durch das Ultimatum von Trump etwas zugenommen hatte. Putin hat damit sozusagen die Flucht nach vorne angetreten.

Er wird in dem Gespräch vermutlich Bedingungen stellen, wird versuchen, die Europäer und Trump auseinanderzutreiben oder die Europäer als Hindernis zum Frieden darzustellen. Und er wird sicher erneut versuchen, die Legitimität von Selenskyj infrage zu stellen und ihn als Hindernis darzustellen. Letztlich geht es für Putin um das Erreichen seiner Ziele mit anderen Mitteln.

„Putin will mehr als Gebietseroberungen“

tagesschau.de: Russland fordert als ein Minimum die vollständige Überlassung von vier Regionen, die es gar nicht in Gänze erobert hat. Sehen Sie irgendeinen Weg für einen Kompromiss, der für die Ukraine auch nur ansatzweise akzeptabel wäre und auch von der Bevölkerung akzeptiert werden könnte?

Kluge: Nein, diesen Weg gibt es nicht. Die Überlassung von Territorien an den Aggressor Russland ist aus ukrainischer Sicht undenkbar und auch politisch nicht durchsetzbar. Das ist kein realistischer Weg. Ein Versuch, das zu erzwingen, würde die Ukraine in eine schwere Krise treiben.

Ich glaube, auch das ist Teil des russischen Plans. Putins Ziele gehen über die Annexionen hinaus – sie sind für ihn auch ein Mittel, um die Ukraine zu destabilisieren. Darauf kann die Ukraine sich nicht einlassen. Ein Kompromiss ist dazu schwer vorstellbar.

Zwar dauert der Krieg viel länger als Russland geplant hat und ist mit hohen Kosten verbunden. Aber es gibt überhaupt keine Anzeichen für ein Umdenken Russlands. Im Gegenteil, Russland vergrößert weiter seine Armee, gibt immer mehr Geld aus, rekrutiert unglaublich viele Menschen. Ich sehe keinen Sinneswandel auf russischer Seite.

Dr. Janis Kluge ist stellvertretender Leiter der Forschungsgruppe Osteuropa und Eurasien bei der Stiftung Wissenschaft und Politik. Zu seinen Forschungsschwerpunkten zählen die russische Innenpolitik und die wirtschaftliche Entwicklung Russlands.

„Nicht willens gezeigt, Putin unter Druck zu setzen“

tagesschau.de: Warum lässt Trump sich auf ein solches Vorgehen ein?

Kluge: Ja, Trump hat sich durch sein Ultimatum selbst in Zugzwang gebracht und musste jetzt irgendetwas unternehmen. Aus meiner Sicht ist der Gipfel für Trump ein willkommener Ausweg, um aus seinem Ultimatum wieder rauszukommen.

Trump hat sich bisher grundsätzlich nicht willens gezeigt, Putin ernsthaft unter Druck zu setzen. Wirklich gegen Russland vorzugehen, stand nie auf seiner Agenda. Es gibt zwar immer wieder Momente, in denen er angesichts des mangelnden Fortschritts bei den Friedensverhandlungen unzufrieden ist. Aber es zeigt sich, dass es Putin dann doch gelingt, aus einer vermeintlichen Drucksituation noch Kapital zu schlagen.

Weniger Einnahmen aus Ölexport nach Indien – „keine Bedrohung“

tagesschau.de: Trump hatte mit sogenannten Sekundärsanktionen gedroht gegen Länder, die weiter russisches Öl kaufen. Jetzt hat er gegenüber Indien diese Drohung umgesetzt. Trifft das Russland?

Kluge: Bisher nicht. Es ist auch nicht das effektivste Mittel, um gegen Russland vorzugehen. Es wirkt auf mich eher so, als ob Trump einen Grund gesucht hat, diese Zölle gegen Indien zu verhängen und dass Russland hier ein willkommener Aufhänger war, weil es eine sicherheitspolitische Begründung liefert.

Trump hat in den vergangenen Monaten nichts unternommen, um Russland direkt wirtschaftlich unter Druck zu setzen, obwohl es da viele Mittel gegeben hätte. Seit dem Amtsantritt Trumps sind keine neuen Sanktionen eingeführt worden und die Sanktionsdurchsetzung ist geschwächt worden. Wenn das Motiv dieser Zölle wäre, Russland unter Druck zu setzen, dann müsste Trump das an anderer Stelle auch tun.

Indien muss die hohen Zölle auf seine Exporte natürlich ernst nehmen und in irgendeiner Form darauf reagieren. Das kann bedeuten, dass indische Raffinerien sich beim Kauf russischen Öls stärker zurückhalten. Russland müsste sich dann neue Kunden suchen und denen höhere Preisabschläge gewähren. Das könnte Russlands Öleinnahmen verringern. Aber das würde dennoch für Russland kurzfristig keine große finanzielle Bedrohung darstellen.

tagesschau.de: Zumal China, das noch viel mehr russisches Öl kauft, nicht mit Zöllen belegt worden ist.

Kluge: Und China ist noch mal ein deutlich wichtigerer Wirtschaftspartner für Russland als Indien. Trump handelt hier nicht systematisch und setzt das Instrument selektiv ein – aus gutem Grund: Würde Trump in dieser Form Zölle gegen China verhängen, hätte das für die USA selbst zu große Auswirkungen.

Deshalb musste Trump ja schon im Frühjahr bei der Eskalation im Handelskrieg mit China zurückrudern. Derlei geht mit Ländern wie Indien, die für die amerikanische Wirtschaft eine geringere Rolle spielen. Aber mit China ist es schwierig.

„Sanktionen gegen Ölexport können zu Preisanstiegen führen“

tagesschau.de: Gibt es denn überhaupt noch Sanktionen, die die russische Seite signifikant unter Druck setzen würden?

Kluge: Es gäbe Wege, auch ohne Zölle die russischen Ölexporte einzuschränken – und die sind für Russland die wichtigste verbliebene Einnahmequelle. Russland exportiert weiterhin ungefähr genauso viel Öl wie zu Beginn der Vollinvasion.

Um das zu ändern, könnte man beispielsweise, wie es im Fall von Iran passiert ist, Sekundärsanktionen gegen die Importeure, sprich Raffinerien, Unternehmen in Indien oder China androhen – am besten in Kombination mit Druck auf andere Ölförderstaaten, ihre Produktion auszuweiten.

Das Problem bei Sanktionen gegen den russischen Ölexport ist, dass sie im Erfolgsfall international zu Preisanstiegen führen können.

Der Weltmarkt würde es vielleicht verkraften, wenn der russische Ölexport um 500.000 bis eine Million Fass pro Tag durch Sanktionen reduziert würde. Aber das ist immer noch ein kleiner Teil der russischen Ölexporte. Alles, was darüber hinausgeht, würde zu starken Preisanstiegen führen. Das setzt den Maßnahmen gegen russischen Ölexport eine Grenze.

Und all das würde gegen Russland auch erst langfristig wirken. Es gibt keine Maßnahmen mehr, die Russland kurzfristig wirtschaftlich schwer treffen können. Es wäre auch nach drei Jahren Vollinvasion seltsam, wenn diese Maßnahmen noch nicht ergriffen worden wären.

Interessanterweise sind die letzten Äußerungen von Trump zu Sanktionen dann auch ein bisschen bescheidener ausgefallen – er hatte zuletzt selbst bezweifelt, ob es Auswirkungen hätte, wenn er Sanktionen verhängt.

Und vermutlich ist es für Trump uninteressant, etwas zu tun, was keinen sofortigen signifikanten Effekt hat. Deshalb ist dieser langfristige, komplexe Weg des Sanktionierens für Trump vermutlich eher keine Option.

„Europa muss klar die Grenzen setzen“

tagesschau.de: Die Europäer sind bei dem geplanten Gespräch außen vor. Womit müssen sie rechnen und wie sollten sie reagieren?

Kluge: Für die Europäer ist dieses Setting gefährlich, weil es eindeutig nicht vorgesehen ist, dass sie mitreden.

Es wäre wichtig, dass die Europäer im Vorfeld dieses Gesprächs deutlich machen, dass sie auf keinen Fall ihre Waffenhilfe für die Ukraine einschränken werden, sie sogar ausbauen werden. Und dass sie auf keinen Fall ihre Rüstungskooperation mit der Ukraine einschränken werden und weiterhin Selenskyj als legitimen Präsidenten unterstützen. Genau diese Punkte wird Putin versuchen, in seinen Verhandlungen mit Trump anzugreifen.

Es wäre für Russland ein wichtiges Etappenziel, dass die Waffenhilfe für die Ukraine eingeschränkt wird, damit Russland eben militärisch bessere Karten hat, und vielleicht in der Ukraine auch der Glaube an den eigenen Widerstand und das eigene Überleben geschwächt wird.

Um das zu erreichen, müsste Putin Trump dazu bringen, auf Europa Druck auszuüben. Dem zuvorzukommen, ist aus meiner Sicht entscheidend. Europa sollte jetzt schon ganz klar die Grenzen setzen und deutlich kommunizieren, dass es seine Politik notfalls auch unabhängig vom Ausgang dieser Gespräche fortsetzen wird.

Damit kann man eben einen Rahmen für das schaffen, was Trump in seinen Gesprächen mit Putin an Zugeständnissen und Versprechungen macht. Deshalb ist es auch wichtig, dies schnell zu tun.

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