Präsident Selenskyj nutzte den ukrainischen Unabhängigkeitstag, um die Wehrhaftigkeit seines Landes zu loben – und gleichzeitig ausländische Unterstützung einzufordern. Bundesaußenminister Wadephul will den Kreis dieser Unterstützer erweitern.
Präsident Wolodymyr Selenskyj hat am Unabhängigkeitstag der Ukraine den Kampfgeist des Landes und seiner Bewohner gewürdigt.
Der russische Angriffskrieg habe zu einem neuen Selbstwertgefühl der Ukrainer geführt, die sich nicht mehr auf den guten Willen anderer verließen, sondern ihr Schicksal selbst in die Hand nähmen und bereit seien, für ihre Freiheit zu kämpfen, sagte der ukrainische Präsident. „Wir werden eine Ukraine schaffen, die genügend Kraft und Potenz hat, um in Sicherheit und Frieden zu leben“, versprach Selenskyj.
Seit 1991 die Sowjetunion zerfiel, feiert die Ukraine jedes Jahr am 24. August ihre Unabhängigkeit. Das Video zu seiner Ansprache nahm Selenskyj auf dem Unabhängigkeitsplatz in Kiew auf. Die Freiheitsstatue sei ein Symbol der Unzerstörbarkeit des Landes, betonte er.
Mitten im Krieg
Ukraine feiert ihre Unabhängigkeit
„So schlägt die Ukraine zu“
Auch am Feiertag überzogen sich die beiden Länder wieder mit gegenseitigen Luftangriffen. Selenskyj würdigte in seiner Ansprache auch die Wehrhaftigkeit der Ukraine: Sie antworte auf russische Aggression mit Angriffen gegen Treibstoffdepots und Militärflugplätze. „So schlägt die Ukraine zu, wenn ihre Aufrufe zum Frieden ignoriert werden.“ Das könne ihr niemand verbieten.
Um einen Frieden zu erreichen und ihn anschließend zu sichern, betonte Selenskyj noch einmal die Bedeutung der Verbündeten und ihrer Schutzversprechen. Nach einem Kriegsende sei die Präsenz ausländischer Truppen „wichtig für uns“, sagte er.
Wadephul will Garantien möglichst vieler Staaten
Der deutsche Außenminister Johann Wadephul dringt bei der Debatte um Sicherheitsgarantien auf die Unterstützung möglichst vieler Staaten. Den Kreis der Garantiegeber wolle man weiter ziehen, sagte er. Garantien müssten einer NATO-Mitgliedschaft sehr nahe kommen. Die Ukraine könne nicht über Gebietsverzicht nachdenken, wenn es keine Garantien von möglichst vielen Staaten gebe, „dass jedenfalls der Rest dann sicher ist“.
Zum Kreis dieser Verbündeten zählt auch Kanada, dessen Premier Mark Carney heute persönlich in die Ukraine reiste. Er kündigte ein neues militärisches Hilfspaket für die Ukraine an, das erstmals auf dem G7-Gipfel im Juni besprochen worden war.
Bereits im September soll es Fahrzeuge, medizinische Ausrüstung, Munition und Drohnen geben – Carney zufolge für 1,23 Milliarden Euro. Er betonte Medienberichten zufolge auch, dass die Ukraine vertrauenswürdige Garantien brauche. Nicht Russland entscheide, „wie die Souveränität, Unabhängigkeit und Freiheit der Ukraine in Zukunft garantiert“ werde.
Lawrow mit Vorwürfen gegen westliche Verbündete
Doch ein Frieden kann erst abgesichert werden, wenn er eintritt – und die Aussichten dafür scheinen derzeit getrübt. Zwar vollzogen Russland und die Ukraine erneut einen Gefangenenaustausch, bei dem jeweils 146 Soldaten übergeben wurden, wie das russische Verteidigungsminsterium erklärte.
Doch nach Aussagen aus Moskau verflogen die Hoffnungen auf ein schnelles Treffen von Präsident Wladimir Putin und Selenskyj. Der russische Außenminister Sergej Lawrow legte nun noch einmal nach: Die westlichen Verbündeten würden nur nach einem Vorwand suchen, „um Verhandlungen zu blockieren“, sagte er in einem TV-Interview. Er übte auch Kritik an Selenskyj, der „hartnäckig darauf besteht, Bedingungen stellt und um jeden Preis ein Treffen“ verlange.
Russland will selbst an Garantien beteiligt sein
Lawrow betonte noch einmal die russische Vorstellung von Sicherheitsgarantien durch die fünf ständigen Mitglieder des UN-Sicherheitsrates: USA, China, Großbritannien, Frankreich – und Russland selbst. Die Gruppe der Garantiegeber könne auch weitere Staaten wie Deutschland und die Türkei umfassen, erklärte er.
Da Russland einen Einsatz ausländischer Truppen in diesem Szenario jederzeit blockieren könnte, kommt es für Kiew nicht infrage. Eine Beteiligung Russlands an der Friedenssicherung in irgendeiner Form lehnt Selenskyj entschieden ab.