Im ARD-Sommerinterview hat AfD-Chefin Weidel ihre Kritik an Kanzler Merz bekräftigt. Eine gesellschaftliche Polarisierung durch die AfD sieht sie nicht. Das Interview wurde von lautstarken Protesten gestört.
Begleitet von lautstarken Protesten hat AfD-Chefin Alice Weidel sich im ARD-Sommerinterview den Fragen von Hauptstadtstudio-Leiter Markus Preiß gestellt. Dabei erhob sie erneut Vorwürfe gegen die schwarz-rote Bundesregierung unter Kanzler Friedrich Merz. Diesen hatte sie zuvor als „Lügenkanzler“ betitelt, was sie nun erneut bekräftigte. „Ich habe Friedrich Merz als Lügenkanzler bezeichnet – zu Recht, weil er alle Wahlversprechen gebrochen hat, die er von sich gegeben hat.“
Aber auch die AfD hatte Im Wahlkampf viele Versprechen gemacht und Forderungen gestellt – unter anderem eine massive Senkung der Einkommenssteuer, die komplette Abschaffung von Grund- und Erbschaftssteuer, niedrigere Energiepreise. Das deutsche Institut für Wirtschaft schätzt die Kosten dieser Maßnahmen auf 149 Milliarden Euro pro Jahr.
Wie würde die AfD ihre Versprechen einhalten?
Auf die Frage, wie die AfD ihre eigenen Versprechen gegenfinanzieren würde, wäre sie an der Regierung, sagte Weidel, man müsse die Ausgaben massiv senken und könne Geld auf der anderen Seite auch einsparen. Dabei verwies sie mehrfach auf das Bürgergeld. Dieses koste im Jahr rund 50 Milliarden Euro, die Hälfte der Bezieher seien Ausländer. „Und die andere Hälfte hat zu drei Vierteln einen Doppelpass.“ Man alimentiere Menschen, die nie in die Sozialsysteme eingezahlt hätten, so Weidel.
Preiß verwies darauf, dass die AfD im Wahlkampf auch versprochen hatte, dass das Rentenniveau auf 70 Prozent steigen solle – Experten schätzten aber, das koste weitere 100 bis 200 Milliarden Euro im Jahr. „Der Punkt ist einfach, die Schätzungen sind falsch“, so Weidel darauf.
Erneut nach der Gegenfinanzierung der vielen Milliarden Euro gefragt, nannte Weidel etwa die Senkung oder Abschaffung der Stromsteuer für alle, die rund 5,4 Milliarden Euro kosten würde und nun nicht gemacht werde. „Und dann geht unser Staat dahin, die Friedrich-Merz-Regierung, und schenkt der Ukraine neun Milliarden deutsches Steuergeld und will jetzt für fünf Milliarden Patriot-Raketen für die Ukraine kaufen. Das versteht niemand mehr.“
Angesprochen darauf, dass auch die genannten möglichen Einsparungen noch lange nicht für die Gegenfinanzierung der eigenen Versprechen reiche, sagte Weidel, dies sei nur ein Beispiel – „das ist ja kumulativ“.
Der ARD-Faktencheck zu Weidels Aussagen zeigt jedoch unter anderem, dass sich derzeit lediglich Ausgaben in Höhe von fünf Milliarden Euro für die Ukraine seit Beginn der neuen Legislaturperiode belegen lassen. Auch die Patriot-Systeme wären mit zwei Milliarden Euro deutlich günstiger als die fünf Milliarden Euro, die Weidel genannt hat.
Lautstarke Proteste machen Interview schwierig
Das Open-Air-Interview im Regierungsviertel an der Spree wurde von lautstarkem Protest mit Trillerpfeifen, Hupen und lauter Musik mit Anti-AfD-Slogans vom anderen Spreeufer begleitet. Zu sehen war eine kleinere Demo-Gruppe und ein großer Bus. Mehrmals musste Weidel nachfragen oder sich vorbeugen und konnte Fragen nicht verstehen.
Hinter der Aktion steckt nach eigenen Angaben die Gruppe Zentrum für Politische Schönheit, die für solche Demos einen Bus mit extrem starken Lautsprechern ausgerüstet hat. Den Bus hatte sie „Adenauer SRP+“ getauft.
Nach dem Interview kündigte die ARD Konsequenzen an. „Ein ungestörter Ablauf der Interviews ist in unserem Interesse und vor allem im Interesse des Publikums, daher werden wir aus der Sendung Schlüsse ziehen und in Zukunft Vorkehrungen treffen“, sagte eine Sprecherin der Nachrichtenagentur dpa. Bis zum Beginn der Sendung sei die Protestaktion nicht bekannt gewesen.

24.000 Euro im Monat „üblich“
Beim Thema Ehrlichkeit sprach Preiß auch an, dass der AfD-Abgeordnete Stephan Brandtner beklagt hatte, dass Menschen in normalen Beschäftigungsverhältnissen um ihre Lohnerhöhung kämpfen müssten, während Abgeordnete ihre Erhöhungen einfach durchgewunken bekämen. Kurz darauf hatte die AfD-Fraktion ihre Bezüge aber deutlich erhöht und die Zulagen verdoppelt. „Sie bekommen nun 24.000 Euro im Monat. Ist das ehrlich, wenn man da die andere Aussage dagegen sieht?“
„Absolut“, so Weidel. Nach fast acht Jahren habe man das Gehalt der Vorsitzenden und Vorstände lediglich auf das übliche Niveau der anderen Fraktionen und Parteien angehoben. „Dieser Schritt kommt natürlich auch sehr groß vor, aber das ist das, was üblicherweise gezahlt wird.“ Man sei jahrelang darunter gewesen. „Wir haben jetzt mit der Verdopplung der Wahlergebnisse – und damit auch deutlich mehr Verantwortung – uns gedacht, dass wir das anheben müssen.“
Ende Juni war bekannt geworden, dass die AfD-Fraktion die Zulagen ihrer Chefs Weidel und Tino Chrupalla sowie die der anderen Mitglieder des Fraktionsvorstands verdoppelt hatte. Neben der normalen Bundestagsdiät in Höhe von rund 12.000 Euro bekommen Weidel und Chrupalla seitdem zusätzlich 12.000 Euro für ihre Führungsposition.
Weidel sieht keine Spaltung durch AfD
Ein weiteres Thema war das kürzlich bekannt gewordene Strategiepapier der AfD. Es zeigt auf, wie die AfD in Regierungsverantwortung kommen möchte, indem sie Schwarz-Rot spaltet. Dabei ist auch ein absichtlich inszenierter Kulturkampf gegen die Linke ein wichtiges Element. „Sie sagen da klipp und klar: Ihr Ziel ist es, zu polarisieren“, so Preiß. „Was wird in Deutschland besser, wenn das Land gespalten ist?“
Polarisierung sei „überhaupt gar nicht gut“, sagte Weidel. Sie beschuldigte die „linke, woke Seite“, einen Kulturkampf zu führen, dieser sei „in größten Teilen steuerfinanziert über parteinahe NGOs“. Die Polarisierung komme daher, dass bestimmte Debatten „ideologisch zubetoniert“ würden. „Ein Beispiel: Über die verfehlte Migrationspolitik kann man seit zehn Jahren überhaupt gar nicht ideologiefrei sprechen, ohne irgendwie als rechtsextrem oder als Nazi bezeichnet zu werden“, so Weidel.