Schwimmen gehen, wo während der Olympischen Spiele die Profis um Medaillen gekämpft haben: Seit etwa zwei Monaten ist das Centre Aquatique Olympique in Saint-Denis für alle geöffnet. Viele Einwohner der Stadt im Norden von Paris hatten lange auf so ein Sport- und Freizeitangebot gewartet. Außerdem sollen ab Mitte September 70 Schulklassen zum Schwimmunterricht ins Olympia-Schwimmbad kommen.
Der Vizedirektor des Schwimmbads, Grégorie Lartigot, nennt das eine „echte öffentliche Mission“, denn im Département Seine-Saint-Denis kann fast die Hälfte der Kinder nach der Grundschule nicht schwimmen.
Die Betreibergesellschaft, das Bildungsministerium und lokale Organisationen hätten sich deshalb ein gemeinsames Ziel gesetzt, sagt Lartigot im Gespräch mit der ARD: „Bis 2032 soll jedes Kind im Département nach der Grundschule schwimmen können.“
Olympisches Erbe für benachteiligtes Département
Das Schwimmbad gilt als Vorzeigeprojekt für das vielbeschworene „héritage“, das Erbe der Olympischen Spiele. An Versprechungen hatte es nicht gefehlt: Ein Großteil der Investitionen soll das Leben der Menschen im Département Seine-Saint-Denis besser machen. Laut der nationalen Statistikbehörde INSEE leben hier fast 30 Prozent der Bewohner unterhalb der Armutsgrenze.
Olympia sollte deshalb für wirtschaftlichen Aufschwung und neue Infrastruktur sorgen. Im Rahmen der Spiele wurden etwa die Anbindung von Saint-Denis an den öffentlichen Nahverkehr verbessert oder Radwege gebaut.
Wohnraum im ehemaligen Athletendorf
Zudem entstehen in Saint-Denis rund 1.000 neue Wohneinheiten – auf dem Gelände des ehemaligen Athletendorfs. Rund die Hälfte dieser Wohnungen soll unter Marktpreis vermietet werden oder sind Sozialwohnungen.
Auf eine solche warten aber 10.000 Bewohner von Saint-Denis. Den Bedarf an günstigem Wohnraum deckt das Athletendorf also nicht.
Für Oriane Filhol, stellvertretende Bürgermeisterin von Saint-Denis, ist es trotzdem eine wichtige Verbesserung. Insgesamt habe die Stadt auf ein gemischtes Angebot geachtet: „Für uns ist wichtig, dass wir alles haben: den freien Mietmarkt, Sozialwohnungen und staatlich gefördertes Wohneigentum“, so Filhol im Gespräch mit der ARD.
„Die Wohnungen im Olympischen Dorf, die auf dem freien Mietmarkt angeboten werden, sind pro Quadratmeter teurer als im Rest der Stadt. Das liegt am Viertel hier und auch daran, dass es Neubauten sind.“ In anderen Vierteln von Saint-Denis würden die Preise aber niedriger bleiben als im Athletendorf, betont sie.

In diesem Teil des Olympischen Dorfs waren vor einem Jahr die deutschen Athleten untergebracht. Inzwischen läuft der Verkauf der Wohnungen – aber der Bedarf in Saint-Denis geht weit darüber hinaus.
Am Bedarf vorbei?
Die 174 Wohnungen, die im Athletendorf zum freien Verkauf stehen, werden von der Baufirma Vinci vermarktet. Rund 60 Prozent seien bisher verkauft, sagt das Unternehmen; die Nachfrage sei aber sehr schleppend angelaufen.
Aus Sicht von Cécile Gintrac entspricht das Angebot nicht dem Bedarf der Menschen vor Ort. Gintrac ist Geografin und hatte sich vor und während der Spiele im Comité de Vigilance JO engagiert, einem Zusammenschluss von Organisationen, die den Spielen kritisch gegenüberstanden. Außerdem arbeitet sie für das Institut La Boëtie, die Denkfabrik der Linkspartei LFI.
„Die Menschen von hier haben nicht das Geld, um sich eine Wohnung im Athletendorf zu kaufen“, erklärt Gintrac. „Und wer von außen kommt, möchte nicht unbedingt hier hinziehen. Im Moment gibt es also nicht unbedingt Käufer.“
Wenn das Vermarktungskonzept scheitere, könnte es am Ende für alle teuer werden, glaubt sie: „Möglicherweise wird die öffentliche Hand eingreifen und die Wohnungen zurückkaufen müssen, um sie dann zu einem niedrigeren Preis neu zu vermieten. Sollte der Staat mehr Geld auf den Tisch legen: Dann sind es unsere Steuern, mit denen das bezahlt wird.“

2024 war der Zugang zum Olympischen Dorf streng beschränkt, nun sollen die Wohnungen nach und nach verkauft werden.
Ausgaben deutlich über der Prognose
Ende Juni hatte der französische Rechnungshof eine vorläufige Bilanz zu den Kosten der Spiele vorgelegt. Dem Bericht zufolge sind insgesamt rund sechs Milliarden Euro an öffentlichen Geldern in die Organisation der Spiele und in den Bau der damit verbundenen Infrastruktur geflossen. In der Bewerbung für die Spiele war von 2,4 Milliarden Euro an öffentlichen Kosten die Rede.
„Es waren nicht die teuersten Spiele aller Zeiten“, so der Präsident der Cour des Comptes, Pierre Moscovici. Im Bereich Sicherheit lagen die Kosten allerdings weit über dem ursprünglich veranschlagten Budget. Nach Moscovicis Einschätzung ist dieser Bereich von Beginn an zu niedrig kalkuliert worden. Und in der Aufstellung des Rechnungshofes sind manche Kosten noch nicht eingerechnet, etwa für das Großprojekt Reinigung der Seine, das auch zum Erbe der Spiele zählt.
Am 1. Oktober muss der Rechnungshof dem Parlament seinen endgültigen Bericht vorlegen, so ist es gesetzlich geregelt. Dann soll unter anderem klarer sein, was Olympia die beteiligten Kommunen und Départements gekostet hat.
Bei der Sportförderung wird gekürzt
Ein Jahr nach Olympia ist aber offensichtlich immer weniger Geld da, um den Geist der Spiele aufrecht zu erhalten. Seit September 2024 wurden die Mittel des Sportministeriums kontinuierlich gekürzt, und im kommenden Jahr könnte der Etat nochmal um fast ein Fünftel schrumpfen.
So wurden zuletzt etwa Kinder und Jugendliche zwischen sechs und 14 Jahren vom „Pass Sport“ ausgeschlossen, einer Förderung von 50 Euro, die es vor allem weniger wohlhabenden Familien ermöglichen soll, ihre Kinder im Sportverein anzumelden. Zuvor gab es diese Unterstützung für Kinder und Jugendliche zwischen sechs und 18.
Man könne keine weiteren Kürzungen planen, ohne das „Erbe der Spiele“ zu gefährden, warnte Sportministerin Marie Barsacq im Interview mit der Zeitung Libération.